Vera Rothamel

Malerei treibt Blüten.
Die Konstanzer Galerie Grashey zeigt neue Arbeiten von Vera Rothamel

Florian Weiland, Südkurier, 20.06.2013

Ein wucherndes Dickicht. Hier und da meint man, Blüten, Blätter oder Baumstämme zu erkennen. Und doch befinden sich Vera Rothamels Bilder im Schwebezustand zwischen gegenständlich und abstrakt. Ungegenständliche Malerei bringt in der Regel die Natur zum Verschwinden. Bei der 1957 geborenen Künstlerin, die in Zürich lebt und arbeitet, verhält es sich genau anders herum. Die Bilder von Vera Rothamel renaturieren die Abstraktion. Es ist die dritte Einzelausstellung der Künstlerin in der Galerie Grashey. Diesmal führt sie in „Sofies Garten“, so der Titel zweier großformatiger Öltempera-Gemälde im Eingangsraum. Doch zunächst fällt es gar nicht so leicht, sich in diesem Garten zurechtzufinden. Seine Pracht erschließt sich erst dem aufmerksamen Betrachter. Die Erkennbarkeit der floralen Motive wird durch die abstrakten Elemente erschwert, gewinnt aber gerade dadurch auch einen besonderen Reiz. Rothamels abstrakter Naturalismus löst die Welt in farbige Rinnsale, Wirbel und Muster auf. Ihre Malerei, erklärt die Künstlerin, wolle kein Abbild, kein Doppel der Dinge sein, sondern an den Voraussetzungen des Dargestellten arbeiten. „Die Natur ist in mir als gesehene Erinnerung präsent. Aber erst in der Umformung und Formung, wie sie im Malprozess entsteht, wird sie – im besten Fall – Bild. So gesehen ist das auch ein Prozess des Werdens und Wachsens, aber derjenige der bildnerischen Mittel.“ Das Zitat stammt aus dem im Benteli Verlag erschienenen, aufwändig gestalteten Künstlerbuch „Malerei treibt Blüten“. Der Großteil der in der Galerie präsentierten Arbeiten findet sich darin. Das zentrale Element der Gemälde aber ist die Farbe. Gewagte Farbkombinationen reizen unser Auge. Kräftige Kontraste dominieren. Grün und Türkis trifft auf ein kräftiges Rosa oder Orange. Ein intensives Farberlebnis. Pulsierend, leuchtend und üppig. Verschiedene Farbschichten überlagern sich und geben den Gemälden eine erstaunliche Tiefenwirkung. Bei der Gestaltung der Gemälde spielt indes auch der Zufall eine Rolle. Rothamel bedient sich mitunter Verfahren, die an Action Painting denken lassen. Farbrinnsale bahnen sich ihren Weg und erzeugen zufällige Strukturen. Während in den großformatigen Arbeiten die floralen Motive noch vergleichsweise klar zu erkennen sind, lösen sie sich in den kleinformatigen Bildern – etwa den sechs „Ombres“ betitelten Arbeiten im großen Ausstellungsraum – nahezu auf. Und es kommt durchaus vor, dass man sich fragt, ob sie überhaupt noch vorhanden sind. Doch unser Auge ist stets bemüht, Ordnung in das Chaos zu bringen, sucht und findet Assoziationen zu vertrauten Formen aus der Natur. Die Natur, verrät die Künstlerin, ist allerdings nicht Ausgangspunkt ihrer Bilder, sie ist „nicht ein vorher da gewesener Einfall, sie ist eine Analogie.“ Die Natur liefert den Formenfundus, der uns auch in der abstrakten Umformung noch vertraut erscheint. Es fällt schwer, sich der Verführungskraft von Vera Rothamels abstrakt wuchernden Gärten zu entziehen.