Vera Rothamel

Bilder: Farbnetze

Vera Rothamel - Farbnetze

Sibylle Omlin, Galerie Kriens, 05.03.2004

Farbnetze heisst diese Ausstellung von Vera Rothamel. Der Begriff des Farbnetzes verweist für ihre Bilder auf zweierlei: einerseits auf die netzartigen, textilen Strukturen, die in den Bildern und in der Druckgraphik als formales Element auftauchen; andererseits auf ein Bemühen, die Farbe mit einem Werkzeug für ein Bild festzuhalten. Ein Netz ist ja auch ein Fanggerät.

Vera Rothamels Bilder sind aus mehreren, oft sehr dünnen Schichten lasierter Öltempera aufgebaut. Es sind Wischbewegungen von Spachteln und Rakeln, Abdruckstrukturen von Tapetenwalzen/Gummiwalzen mit eingedrucktem Mustern zu erkennen, wie sie für die Tapetenherstellung gebraucht werden.

Die Künstlerin sagt, sie sei eine Malerin, die den Pinsel nur sehr selten braucht. In ihrem Atelier befindet sich eine grosse Sammlung von Walzen, Spachteln, Rakeln, Druckstöcke aus Schaumstoff, also Arbeitsgeräte, die eigentlich eher in der Druckgrafik zu finden sind, als in der Malerei.

Dieses Set von Werkzeugen kennzeichnet Rothamels Malerei und macht sie so besonders. Die Malerei ist ja längst dazu übergegangen, mit anderen Mittel als den spezifisch malerei-eigenen zu operieren. Jackson Pollock hatte Farbe aufs Bild tropfen lassen (drip), Francis Bacon hat sie an die Leinwand geworfen, Druckwerkzeuge wie Schablonen und Rakel sind üblich, man kann Farbe giessen und eintrocknen lassen.

Vera Rothamel arbeitet für ihre Malerei gezielt mit Medienwechseln, das heisst, sie druckt Farbe ins Bild, um sie wieder zu übermalen, zu verwischen. So generiert sie Farbzonen, die eine andere Qualität aufweisen, als wenn sie rein mit dem Pinsel gemalt wären. Aus den Drucktechniken nimmt die Künstlerin mit, dass jeder Druckvorgang eine neue Farbschicht auflegt, die erst zu interpretieren ist, um dann auf dem Gesehenen für die Malerei weiterzufahren. Die Überlagerung von Farben beim Drucken erzeugt eine Farbzusammensetzung, die oft auch von der Überraschung gesteuert ist: was passiert, wenn rot auf grün gedruckt wird, etc. Das Beurteilen und Interpretieren der durch das Drucken, Wischen, Ziehen erhaltenen Farbzonen und Strukturen legt die Entscheidungen für die nächsten Schritte fest. Vieles kann man berechnen, einkalkulieren, Wissen und Erfahrung steuern auch mit. Doch die Zufälle tragen das ihre dazu bei. Und wie immer sind ein Teil der Entscheidungen nicht reversibel.

„Multiple choice“ heisst folge richtig eine Serie von kleinformatigen Malereien, die in den Farben rot, grün und gelb das Hin- und Her der Malerei farbstark festhalten. Im Farbenmeer werden die Netze ausgeworfen, die sich in der Strömung bewegen.

Das Unvorhersehbare ist ein Element, für das sich Vera Rothamel in ihrer Malerei besonders stark macht. Mit dem Wechsel von Drucken zu Malen, aber auch Fotografieren, Editieren am Photoshop und Printen erlaubt sich Vera Rothamel die Freiheit, festgefahrene Bewegungen und Abläufe in der Malerei zu stören, Kompositionsanliegen anders anzugehen. Von Mikro auf Makro zu schalten. Auch Farbqualitäten und Farbabstimmungen, welche die Künstlerin am Computer beschäftigten, sind wieder in ihre Malerei zurückgeflossen. Die Arbeit an der Lithographie brachte mit sich, dass sich Vera Rothamels Palette aufgehellt hat. Es gibt mehr gebrochene Töne, eine Farberfahrung, die das Arbeiten mit den verschiedenen Farbdurchgängen am Lithostein möglich gemacht hat.

Für die Serie von Originaldruckgraphik, die in der Druckerei von Martin Wallimann entstanden ist, verwendete die Künstlerin eine Hochdrucktechnik, die stark an ihre Malerei erinnert. Sie färbte Vorhangstroffe mit Netzstruktur für das Drucken ein; die Farbe wurde mit Hilfe einer Spanplatte direkt vom Stoff auf das Papier gedruckt. Auch hier entstand ein Raum der geschichteten und übereinandergelagerten Strukturen. So kommen Mikro-Strukturen verdichtet zu einer Makrostruktur, welche ein Gewebe bildet, das einen neuartigen Farbraum auftut: ein Farbnetz im wahrsten Sinn des Wortes.