Vera Rothamel

Bilder: all over

Vera Rothamel - all over

Susanne Storz, Ausstellung in der Galerie Marianne Grob, Berlin, 16.11.2004

Die Ausstellung in den Räumlichkeiten der Galerie Marianne Grob in Berlin umfasst neben neuen Tafelbildern der Künstlerin auch eine Rauminstallation im vordersten Raum.

Vergleicht man die neuesten Arbeiten von Vera Rothamel mit Bildern aus ihrer letzten Ausstellung im Jahre 2001, so lässt sich auf den ersten Blick ein grosser Schritt in der Entwicklung der Künstlerin feststellen. Die Bilder enthalten mehr Bewegung, sind weniger statisch „gebaut“. Sie wirken freier und lockerer in ihrer malerischen Gestik. Bei genauerem Hinsehen lassen sich jedoch auch Elemente aus früheren Werken ausmachen. Die Verankerung der neuen Bilder im Gesamtwerk der Künstlerin ist klar gegeben. Dennoch handelt es sich hier nicht um selbstreferentielle Malerei.

Das Malen ist für Vera Rothamel immer ein Prozess. Ihre Bilder benötigen keine Skizzen als Vorlagen. Sie enstehen unmittelbar vor und in direkter Auseinandersetzung mit der Leinwand. Die Künstlerin lässt sich von Impulsen leiten – wir denken an action painting, an écriture automatique. Spontane Gesten scheinen den Zufall miteinzubeziehen und doch: hier wird nichts dem reinen Zufall überlassen! Malen als Prozess heisst für die Künstlerin denn auch klar: immer wieder Entscheidungen treffen, das Entstehende mit einem analysierenden Blick untersuchen. Was dabei herauskommt, ist ungegenständliche Malerei in intensivster Farbigkeit.

Die Farben und ihre Wirkung auf der Fläche und im Raum sind ein zentrales Anliegen der Künstlerin. Sie benutzt für ihre Arbeiten eigens für sie hergestellte Öltemperafarben, die das Licht auf spezielle Art reflektieren.

Als Werkzeuge dienen ihr neben dem Pinsel mit Vorliebe die Rakel und die Walze. Schablonen gelangen ebenso zum Einsatz wie Sprayfarbe. Die einzelnen Werkzeuge und Techniken werden nicht separat, sondern neben- und übereinander verwendet, was zu den für Rothamel so typischen Farbschichtungen führt, die wir auch aus ihren früheren Werken kennen. Die verschiedenen Malschichten ergeben in ihrer Wirkung eine starke Bewegung zwischen Fläche und Raum. Das Auge des Betrachters pendelt hin und her zwischen diesen beiden Polen. Mal verweilt es auf den feinen, netzartigen Linien oder scharf gezeichneten Flächen im Vordergrund, mal versucht es, den Farbenraum dahinter zu ergründen. Dabei muss sich das Auge wie bei einer Kamera zwischen Schärfe und Unschärfe stets wieder aufs Neue fokussieren. Dieses Pendeln zwischen Fläche und Raum, zwischen Schärfe und Unschärfe, macht denn auch den besonderen Reiz der Bilder von Vera Rothamel aus; es lässt sie vibrieren.

Und obwohl jedes Bild für sich alleine bestehen kann, lässt sich ein jedes wie ein Ausschnitt aus einem grösseren Ganzen lesen. Die Malerei der Künstlerin in ihrer Ganzheit wird zum „all over“.